Veranstaltung: Heimspiel Knyphausen 2019
Datum: 26.-28.07.2019
Besucher: ausverkauft mit gut 2000 Besucher*innen
Location: Draiser Hof, Weingut zu Knyphausen, Eltville
 
Das LineUp
 
Freitag, 26.07.2019
Ilgen Nur
Gurr
Tocotronic
 
Samstag, 27.07.2019
Nullmillimeter
Theodor Shitstorm
ClickClickDecker
Another Sky
Brand Bauer Frick
 
Sonntag, 28.7.2019
Fortuna Ehrenfeld
Nils Frevert
 
Außerdem: Musikalische Bootsfahrt, Pre-Festival Dinner oder auch After-Festival Lunch, Sekt-Yoga (??), Wein Tasting, Wein, Wein , Wein, Wein……
 
Labels u.a. Grand Hotel van Cleef
 
Wisch you weere Bier! – Das führt doch zu nix! Kleine Nachlese zum Heimspiel Knyphausen 2019
 
Bekanntermaßen flippe ich nicht gerade vor Freude aus, wenn es heißen würde, „…willst du mich auf einem 80.000 People Festival vertreten?“ Von Roskilde vlt., oder auch dem Zsigget mal abgesehen. Aber wenn die Frage kommt, hättest du Lust und Zeit zum Heimspiel zu fahren, dann geht mir schon das Herz auf. Mein inneres musikalisches Kind jubiliert dann schon sehr. Bedeutet es doch, eines der sympathischsten kleinen Genießerfestivals zu besuchen, die Deutschland zu bieten hat. Einerseits so ein bisschen groß, dass namhafte Künstler vors Ohr kommen, aber doch so klein und fein, dass sich Neues und Interessantes entdecken lassen. Und das Ganze zu einem recht fairem Preis und mit einem absoluten Genießerrahmen versehen, wie es sich sonst nur noch beim KalternPopFestival (Vorfreu!) finden lässt. Ach ja, und im Oktober 2018 bereits innerhalb von 36h ausverkauft. Respekt, wer’s selber macht!
 
Und mittlerweile darf sich das Heimspiel Knyphausen zu einem der größten Festivals im Rheingau zählen. Dabei blickt das Festival in der Beziehung zum Draiser Hof auf eine noch junge Tradition zurück. Es begann mit Solokonzerten des deutschen Singers Gisbert zu Knyphausen, der der auf dem elterlichen Hof aufgewachsen ist. Der Draiser Hof auf der Grenze zwischen Eltville und Erbach im Rheingau war der erste Wirtschaftshof des Zisterzienserklosters Eberbach und ist heute Sitz des Weingutes Baron Knyphausen. Und jährlich kehrt Gisbert zu Knyphausen in den Rheingau zurück und begeistert dann mit seiner Musik und seiner Musikauswahl. Es entstand der Wunsch auch befreundete Bands und Solokünstler einzuladen. Damit war das Heimspiel zu Knyphausen geboren.
 
Im Jahr 2014 wurde aus der eintägigen Veranstaltung erstmals ein ganzes Festivalwochenende. Der Draiser Hof wurde um eine bedeutende Tradition reicher.
In den vergangenen Jahren hat sich das Heimspiel Knyphausen“ einen exzellenten Ruf als Musikfestival erworben und zieht seither Jahr für Jahr Musikfans aus dem ganzen Bundesgebiet auf das wunderschöne Weingut am Rhein. Eine charmante Familie und ein sehr nettes Team verwandeln den Familiensitz in eine kleine ChillOutArea.
Gerade in den vergangenen Jahren hat sich mit dem erweiterten Line up (u.a. waren Element Of Crime, Kettcar, Olli Schulz, Sophie Hunger, Kante und die irischen Villagers zu Gast) der Kreis der Fans dieses Festivals erweitert.
 
Auch in diesem Jahr präsentieren die Heimspiel-Organisatoren um Gisbert ein spannendes Line up mit Tocotronic, Gurr, Ilgen-Frevert am Freitag, Brand Bauer Frick, Another Sky, ClickClickDecker, Theodor Shitstorm und Nullmillimeter am Sonntag und einer kleinen feinen Matinee mit Fortuna Ehrenfeld und Niels Frevert am Sonntagmittag. Das Ganze flankiert z.B. mit Pre-Festival Dinner oder auch Lunch, mit maritim musikalischer Bootsfahrt oder exklusiver Frühstückstüte. Dazu beste Weine und einfach ein gewisses Chic! Apropos beste Weine – als Biertrinker musst du dich auf diesem Festival schon umstellen, sprich: es gibt nur Wein 😳
Und wer wollte zudem ahnen, dass die knapp 2000 Karteninhaber sich am wohl heißesten Wochenende nach der wohl heißesten Woche ins Rheingau begeben haben. Freundlich begrüßt am Eingang zu Knyphausens Gut mit dem obligatorischen ersten von drei Tagesgläsern. Fast so gut wie ein Dreitageswitz beim OBS 🙂
 
Wo Menschen zusammenkommen, ist auch Gelegenheit Gutes zu tun. Was für die einen Sea Watch oder Viva von Aqua ist, ist für das Heimspiel die lokale Philipp-Kraft-Stiftung. Ziel war die Sammlung von 1000€ für den Jugendpark der Kulturen. Der JuPaKu bietet einen Begegnungsort für junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, mit und vlt. (noch) ohne Heimat, um ins Gespräch zu kommen, Vorbehalte abzubauen und um Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Absolut unterstützenswert. Weitere Infos unter www.philip-kraft-stiftung.de
 
Eine entspannte Eröffnung durch Giesbert, den Bruder und den Vater, der noch ein wenig Historie zum Draiser Hof besteuert und dann ging es auch schon los mit
 
Ilgen-Nur. Der Sound der Hamburger war anfänglich noch ein wenig schwach auf der Brust. Der präsentierte Indie Pop wirke etwas gefällig, jedoch gebührt der ersten Band des Festivals bei weit, weit über 30‘ dann doch aller Respekt. Zumal alles entspannt und freundlich ablief.
 
Gurr. Das Grungepostpunkkollektiv (oder kennt jemand tatsächlich Slacker-Pop?) zündet den ersten Turbo. Als Intro wurden Nirvana gezollt und die Besucher wurden freundlich aber bestimmt von ihren Picknickdecken gebeten und los ging’s. Überhaupt Picknickdecken. Die gehören wohl zum Knyphausen wie ein Schwarm Mücken zu einem stehenden Gewässer – So will es wohl das Gesetz! Was in früheren Jahren sicherlich gut funktioniert hat, kommt so langsam aber sicher an die Grenze des Belastbaren. Denn sofern man nicht ganz stumpf die Decken quert, dann muss man schon genau hinsehen, wohin man hier tritt.
Neben Einladungen zum Crowdsurfen an Gisbert und den ein oder anderen Mutigen aus dem ersten Reihen, folgten pogende Eltern, deren Kinder Hunger hatten, und die Eltern ausgerufen ließen. Was ein Spaß! Das gesamt Set wechselte zwischen eigenen Stücken und den zum Teil genial interpretierten Covern, z.B. Fettes Brot mit Ihrem „Jein!“ Es machte Unmengen an Spaß und zum Ende wurden dann nochmal Ilgen-Nur auf die Bühne gerufen. Und das war doch schon mal feierlich! Und die Vorfreude wächst auf das #hpf. Gurr werden dort die HaldernPopBar niederreissen!
 
Tocotronic. Der eine der beiden Gig‘s, warum ich an diesem heißesten Wochenende überhaupt das WoMo bewegt habe, überzeugt restlos. Weit über 20 Jahre Bühne und unzählige herausragende Songs werden an diesem Abend zusammengestellt und begeistern die versammelten Musikenthusiasten. Und das ist dann auch die Zeit, zu der die Generationen zusammenrücken, die Weingläser klingen lassen und den Abend gemeinsam electrogiutarmässig heraus poesieren lassen. Was du auch machst – mach es nicht selbst! Dirk von Lotzow. Kein wirkliches Motto für diesen Abend, aber dennoch genial einfach getextet und wie gemacht für ein Festival, welches alle mit Gisbert zu Knyphausen verbinden, aber alles läuft nur, weil viele tolle Menschen sich so sehr reinhängen. Gute Nacht für heute 🖤
 
Drama und Liebe für Alle! – Nullmillimeter als Opener und Orientierung für den Samstag, Tag 2. Teilweise langjährige Freunde und Weggefährten Gisberts finden sich zu einem neuen Bandprojekt zusammen und celebrieren Texte über die Liebe und das Leben. Herausragend liebevoll und treffend. Tja, und wer’s nicht hören mag – „…Stell dich in die Ecke und heul doch!…“
 
Alleine der Name ist doch schon genial – Theodor Shitstorm, imposanter Auftritt des Duetts mit tiefen, nicht nur eigenen, Texten. Es scheint zudem eine besondere Beziehung zu Reinhard May zu geben, dem Liedermacher aus, man höre, (West)Berlin 😉. Immer wieder wird er bemüht. Dabei erscheint der Tiefgang der Textlichkeit mal verspielt, mal packend. Und nix für ungut, aber an den Drumms sitzt heute Abend ne Bank! Sie hat sich anscheinend aushilfsweise eingearbeitet und spielt alles so sauber, dass es eine Freude ist, dieses Spektakel zu erfassen!
Am Ende entscheiden aber die Kinder. Oder eher die Kinderlieder. „…Ich habe keinen Hunger, ich habe keinen Durst – ich will einfach meine Extrawurst!…“ Wer weiß schon, dass diese Band auch Kinderlieder für CD Pressungen einspielt oder beim WDR an einem Kinderliedercontest mitgewirkt hat…
 
ClickClickDecker – schlichter, schön schnörkelloser Deutschsprech.
Und seit Udo Lindenberg auch mal wieder Kinder auf der Bühne. Es waren die Kinder des Drummers. Sehr schöne Hamburg-Berliner Textkollektion. Und der Geburtstag vom Bassmann wurde auch noch besungen.
 
Another Sky – Vergleiche hinken ja oft bekanntlich, aber wer die Briten bisher noch nicht auf dem Deckel hatten und sich fragt, wo lassen sie sich einnorden, dann muss ja zwangsläufig die Line zu London Gramma gezogen werden. Es wunderbares Konzert mit ganz eigenem Charme und stimmlichem Zauber! Es war das erste Deutschlandkonzert der vier Londoner*innen und es wird mit Sicherheit nicht das letzte Konzert bleiben. Große Freu!
 
Brand Bauer Frick – die herausragenden Elektrospezialisten bilden den grandiosen Abschluss des heutigen Tages. Stimmungsvoll knallen die Beats über das Anwesen und bis in die letzte Reihe wird getanzt, gewippt oder zumindest technokratisch der Fuß bewegt. Schade, dass die Jungs beim bevorstehenden #hpf19 nur einen Nachmittagslistenplatz ergattern konnten, denn der abendlich stimmungsvolle Gig war ein grandioser Tagedeckel.
 
Der Tag geht zu Ende wie er begonnen hat – mit Schweiß und Regen auf der Stirn. Natürlich gab es noch die ein oder andere witzige Geschichte drumherum, aber die gehören mir.
 
Der Tag 3 beginnt in der Nacht wieder mit Regen. Es wird ein Tag wie ein Schwein! Nur nochmal zur Erinnerung: Fortuna Ehrenfeld gehört nicht nur für mich mit zu dem Besten, was die deutschsprachige Bühne derzeit zu bieten hat. Die Knyphausens Matinee startet mit den Kölner Textpoeten und und auch wenn ich mittlerweile einigen Konzerten lauschen durfte, ich werde dieser Musik wohl nicht so schnell überdrüssig. Während Jenny Thiele und Paul Leonard Weißer bereits am Samstag anreisten, bretterte Martin Bechler in der Nacht aus HH heran. Alles kein Zuckerschlecken. Fortuna Ehrenfeld sehen sich ja selbst noch als sehr junges Unternehmen und das führt dann vlt. auch dazu, sich viel Stress anzutun. Aber die drei sind auch bereits so professionell, dass sie ihre Gigs spielen, auch wenn es mal wieder alles ein büschen viel ist. Das anschließende Meet and Great dauert fast 1,5h und immer noch schweißnass verabschiedete sich Martin, nicht ohne ein Merci mit seinem Edding auf meinem Shirt zu hinterlassen. Ich werde es wohl nie wieder waschen…. 😉
 
Nils Frevert. Dem deutschen Singer/Songwriter gebührt der Abschluss eines insgesamt schickfeinen Festivals. Doch zunächst mal fiel der Strom aus. Die ersten Akkorde waren gespielt und dann Stille auf dem Platz. Wer in der ersten Reihe stand konnte zumindest noch ein improvisiertes Akustikset verfolgen. Nils Frevert versucht die Zeit irgendwie entspannt zu füllen, während im Hintergrund die Stromversorgung wieder hergestellt wurde. Frevert textet und spielt sicherlich in der Tradition der Hamburger Schule, der nicht nur seine frühere Band Nationalgalerie angehörte, sondern auch der Headliner vom Freitagabend, Tocotronic. Klein ist die Welt, aber denke daran – du kannst nicht immer 17 sein 😉
 
Bei all dem Lob und Genuss für das Gesamte. Ich denke, es würde Zeit der Professionalisierung noch ein Schippchen draufzulegen. Es hat mich doch schon irritiert, wieviele Kinder auf den Boxen vor der Bühne gesessen haben und unzählige waren ohne Schutz auf den Ohren (obwohl der Merch natürlich welche bereit hielt). Auch die Arbeit für die Security, die übrigens mega entspannt (wie eigentlich alle auf dem Geländer) und superfreundlich waren, und auch die der Fotografen könnte erleichtert werden, wenn es eine Absperrung vor der Bühne geben würde. Aber das nur mal so am Rande.
 
Mit zwei Kisten Knyp Riesling unterm Arm ging’s beseelt und doch auch ein büschen müde zurück auf die Bahn nach Hause. Das „… bis nächstes Jahr!“ ging mir beim Verabschieden dann doch recht leicht über die Lippen… Danke Heimspiel und kommt weiter gut durch das Jahr!

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