Veranstaltung: Heimspiel Knyphausen 2021
Datum: 29.07-01.08.2021
Besucher: max. 500 Besucher:innen zugelassen
Location: Draiser Hof, Weingut zu Knyphausen, Eltville
Das LineUp
Donnerstag, 29.07.2021
Stefanie Schrnk
Die Höchste Eisenbahn
Freitag, 30.07.2021
Ole
Gisbert zu Knyphausen & Kai Schuhmacher
Samstag, 31.7.2021
Finn Ronsdorf
Sophie Hunger
Sonntag 01.08.2021
Lúisa
Blck Sea Dahu
Außerdem: Wein Probe, Wein, Wein , Wein, Wein……
Wisch you weere Bier! – Das führt doch zu nix! Kleine Nachlese zum Heimspiel Knyphausen 2021
Alles auf Anfang! Alles Neu!
Vier Tage. Zwei Bands je Tag. Maximal 500 Besucher. Alle sitzen. Wo soll dass alles noch ein Festivalfeeling entwickeln lassen? Und doch stellt sich (Vor)Freude ein. Bilder vom Aufbau der, zugegebenermaßen recht klein wirkenden Bühne, das LineUp wird aber Spaß machen, freies und nicht vorzubestellendes Catering, ein kleines Rahmenprogramm und Wein, Wein, Wein… Irgendwie doch vieles wie früher. Ein kurzer Plausch mit Frederick, Benjamin, Stefan und Anna über die Vorbereitungen und ein paar Eckdaten. Es ist nicht ausverkauft. Für Donnerstag und Sonntag wird noch die Abendkasse geöffnet. Sicherlich ein Resultat der coronabedingten Umstellungen. Die Leute werden sich erst langsam wieder auf Menschenansammlungen einlassen können. Das Heimspiel dauert dieses Jahr vier Tage und Kinder zahlen erstmals den vollen Preis, aufgrund der Vorgaben des Gesundheitsamtes. Denn jede Person zählt. Das hat alles Konsequenzen. Aber die Branche muss starten und jedes wiedererwachende Festival versprüht Hoffnung, auch für diejenigen Macher und Organisatoren, die aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht wieder starten können oder dürfen.
Tag 1 – Es startet noch entspannter als erwartet. Am Donnerstag waren nur ca. 300 Besucher über den VVK auf dem Gelände. Feste Platzierungen über markierte Tische und Bänke mit ausreichend Abstand sollen die Einhaltung der aktuell in Hessen geltenden Coronaregeln mit absichern. Dazu komplette Registrierung aller vor Ort. Nichts was störend wirkt. Nein, absolut nicht. Die Organisatoren vor Ort haben ganz Arbeit geleistet um ein möglichst unbeschwertes Festivalerleben möglich zu machen. Hut ab!
Stefanie Shrnk – dunkelschöner Sound mit Texten voller Schwermut… allein sein ist auch blöd, aber zusammen fällt irgendwie auch noch schwer… Und wenn es dann doch noch möglich ist, sich auf der ohnehin kleinen Bühne nochmal zu verdichten, dann spricht das für, ja wofür eigentlich? Der Sound und die Textur passten doch sehr zum Auftakt. Irgendwie tastend, irgendwie unsicher, irgendwie etwas wankelmütig. Steine im Schuh, schmerzende Knie, Wimpern im Auge – wann kommt der Flow zurück? Spuky Action und die Katze von Jesus… manchmal etwas verwirrende Texte, man muss dran bleiben um zu folgen. Geht sitzend aber fast gut. Zur Zugabe ergänzt endlich eine Gitarre den Sound und es wird leichter und heller. Die Überleitung zum Hauptact des 1.Tages, Die Höchste Eisenbahn, mit denen Stefanie vor zwei Jahren zusammen noch auf Tour war, gelingt nun doch unproblematisch.
Die Höchste Eisenbahn – Die sommerlichen Festivalgefühle steigern sich beinahe ins fahrlässig Unermessliche, als das Kollektiv anspielt. Abstände verschwimmen kurzzeitig, die Masken fallen und pure Gesichtsnacktheit offenbart sich bei dieser absolut unterbewerteten Band! Der ein oder andere spielerische Patzer wird selbstkritisch zwinkernd aufs zurückliegende Homeoffice geschoben. Aber die Kapelle feiert sich und den Abend und alle feiern mit! Erlösend!
Tag 2 – der Tag startet tiefenentspannt auf der Campingwiese am Weingut. Noch keine 10 Mobile sind am Morgen vor Ort. Kein Gedränge an der Dusche. Alle gechillt! Also ein wenig den Rhein auf und ab. Irgendwo auf einen leichten Riesling einkehren und es sich gut gehen lassen. Auf dem Weg zur 16:00 Uhr Weinprobe dann noch ein bisschen Soundcheck von Gisbert & Kai lauschen und dabei feststellen, dass just auch Texte von Schubert eingespielt werden, die früher mal in der Schule zelebriert wurden. Dejavue quasi…
Die kleine, aber feine Weinprobe führt über vier Stationen mit vier Weinen durch die Geschichte des Gutes und des produzierten Weines. Zweimal an dem Wochenende führt die Weinprobe einen kleinen Kreis von Interessierten an Reben, Trauben, Kessel und Tank, Gährung und Reife heran. Diese netten kleinen Rahmenprogrammpunkte haben sich in all den Jahren des Heimspiels bewährt und wären unter normalen Umständen sicherlich üppiger ausgefallen. So aber – Lieben Dank an Stefan für die Führung und an Eila für die kunstvolle Öffnung der Flaschen!
Die nun schon erprobte Platzzuordnung schafft weitere Entspanntheit. Des Deutschen liebste Beschäftigung im Urlaub, das Ausbreiten von Handtüchern auf Plätzen, Liegen oder Picknickdecken entfällt hier gänzlich. Alle 500 Besucher:innen (ausverkauft) schlendern entspannt durch die Reihen und suchen ihre gebuchten Tischnummern…
Ole – Ich wünsche Dir alles Gute und viele Tage am Meer! Was braucht es mehr? Außer vielleicht ein Piano und einen Oli Schulz, der das Tape rauskramt und Gisbert nahe ans Ohr legt. Ein wunderbares leises, lautes, vor allem tiefes Konzert zum Mitlauschen und um dem Rauschen des Meeres hinterherzuhören. Danke!
Gisbert zu Knyphausen & Kai Schuhmacher – das Schubert Programm, entstanden nach einer Anfrage von Kai vor rund zwei Jahren, passte sicherlich in die Zeit. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. So lässt sich die Romantik treffend zusammenfassen. Opulent im Wort und mit dem Arrangement auch opulent im Spiel. Das gesamte Programm, mit Flügel, Streichern, Posaune, E-Gitarre und Drums begleitet, zeichnet das ständige Auf- und Ab zu Schuberts Lebzeiten und transportiert sich in die Neuzeit. Unterbrochen wird das Set durch etliche bekannte Stücke von Gisbert, zu denen das Publikum den Platz immer wieder verlässt und tanzen möchte. Und so reagiert auch das Publikum entsprechend. Mal jauchzend – mal (zu Tode) betrübt. Mal sitzend – mal tanzend! Und man fragt sich, ob der Abend nicht doch noch mehr Leichtigkeit gebraucht hätte.
Tag 3 – Seepferdchenprüfung. Auf ins Freibad! Bis zum Abend mit erneut 500 Besucher:innen ist viel Zeit und somit erreicht das Entspannungslevel ungekannte Tiefen. Überhaupt entwickelt sich dieses Festival zum entspanntestes Festival ever!
Ätna – nach deren krankheitsbedingter Absage, wir waren wirklich untröstlich 😢, schickte sich mit Finn Ronsdorf einer an, die Festivalherzen zu erobern, den bislang nur Kenner oder Besucher des letzten ENS kennen mochten. Stimmlich herausragend, eröffnete er dem Publikum 45 Minuten zwischen Staunen, Schmunzeln und absoluter Gebanntheit. Sicherlich viel mehr als nur ein Ersatz!
Sophie Hunger – wie gewohnt mehrsprachig zieht die Schweizerin Ihr Publikum vom ersten Akkord an in Ihren Bann. Das neue Album „Halluzinationen“ spielt sie in der Aufnahmebesetzung mit ihr an der Gitarre, Julian Satorius an den Drums, dazu Piano, Horn und fünf Sänger:innen um Marc Beriybill (Cliffs) im Back – der Zauberchor, am Stück und leitet zum Schluss mit dem Codewort „HOPE“ über in die Realität der Neuzeit. Sie schlägt sofort eine Brücke zu jedem, zu jeder Einzelnen im Publikum und genießt dabei die Präsenz. Nichts wird dem Zufall überlassen, neben dem obligatorischen Gitarrenwechsel, werden selbst die Becken an den Drums getauscht um andere Klangfarben erzeugen zu können, sprachlicher Wechsel, mal zart, mal wild und abrupt. Die Backupsingers mal ausgestellt, mal im Vordergrund wenn sich Sophie ans Piano setzt und die Sicht freigibt.
Der Abend klingt aus mit einer wunderschönen Playlist, tönend aus einer vermeintlich herren-, oder damenlosen Tasche auf einer Weinzeltgarnitur. Es wird (mit Abstand) getanzt und da ist es wieder, das Gefühl der Leichtigkeit und des zu Hause seins. Danke den/der unbekannten Playlistersteller:in!
Tag 4 – Nun doch etwas geschafft von den vorangegangenen Tagen, glücklicherweise ohne Ausfälle, was durchaus mit der Qualität der probierten Weine zu tun haben dürfte, geht es auf die Zielgeraden. Shopping in der Vinothek, noch ein Café in der Strandbar und ein wenig Soundchecklauscherei bei den wunderbaren Black Sea Dahu. WoMo abfahrbereit richten und auf zum legendären Tisch 32 mit neu gewonnen Musikfreunden aus Magdeburg und Darmstadt. Die feste Zuordnung der Tische und Plätze hätte auch ins Auge gehen können. Danke an Stefanie & Matthias, Petruna & Hanno, Helena oder Michael für die sehr kurzweilige Zeit und den gemeinsamen Spaß!
Lúisa – feinster Indiepop aus HH. Bereits das zweite Mal nach 2017 beim Heimspiel, damals noch solo, heute von Matze am Bass und Lasse an den Drums unterstützt. Lieder vom Kommen, Bleiben und Gehen. Mal als Chanson getarnt, mal kraftvoll tanzbar. Schöööön!
Black Sea Dahu – Mein ganz persönliches Finale. Die Züricher Band um die drei Geschwister liefern seit Jahren wirklich, wirklich grandiose Konzerte ab. Dabei nehmen sie die Zuhören mit in ungeahnte Tiefen und tauchen mit ihnen ganz ein in das komplette Gefühlsspektrum. Das Ganze wird sorgfältig und dicht arrangiert mit einem hörbaren Verständnis für das Ganze. Die Zugaben beziehen alle mit ein. Die Bühne wird ins Dunkel gelegt, eine Passage mit dem Publikum wird eingeübt und die Band und die Musik verschmelzen mit dem gesamten Festival. Eine weitere Zugabe wird ohne Probe gespielt. Dass dies möglich wird, zeigt die ganze Qualität von Black Sea Dahu. Denn der Song erscheint erst in rund zwei Monaten 😉
Was bleibt am Ende? Mich beschleicht das Gefühl einiges gerne in die „neue“ Festivalzeit mit hinübernehmen zu wollen. Weniger Besucher, mehr Platz, Genuss und Qualität, überhaupt mehr Qualität bei begrenzter Quantität! Und ich bemerke bei mir eine Veränderung dahingehend, dass ich Konzertbesuche wohl zukünftig eher nach Orten wähle und nicht mehr nur ausschließlich nach den Bands. So könnten sich die Orte mit den besten Konzepten durchsetzen. Konzepte die Sicherheit und Unbeschwertheit fördern und nicht noch den letzten Euro herausholen müssen. Eben Orte wie das Weingut Baron Knyphausen! Mein Dank gilt Frederick, Benjamin, Stefan, Anna und all den nicht genannten Macher:innen dieses famosen kleinen, feinen Festivals! See you im nächsten Jahr! Es war wunderbar! Fühlt Euch gedrückt!